Mädels, wenn ihr Kohle verdienen wollt, geht in den Stem-Bereich (MINT)

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Kolloquium zum Thema Gender

Die Leistungskurse Englisch von Frau Baader, Frau Gräser und Herrn Burkert hatten die besondere Gelegenheit, die argumentative Sichtweise eines Wissenschaftlers zum Thema Gender-Pay-Gap zu bekommen.

Auf Einladung von Herrn Burkert fand Herr Jan Haak, Atomphysiker und ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Mainz und Lehrbeauftragter an der Universitätsmedizin Mainz, den Weg nach Dieburg. Mittels verschiedener Folien, die aktuelle Publikationen des Statistischen Bundesamtes sowie verschiedene Statistiken aus Cambridge und Harvard zeigten, forderte er – mit einer zugegebenermaßen etwas rauen Wortwahl – immer wieder die Schülerinnen und Schüler zu einer lebhaften Diskussion heraus.

Dabei, das machte der Referent allerdings gleich zu Beginn deutlich, sollten seine Worte nie den einzelnen Schüler oder die einzelne Schülerin persönlich angreifen, sondern immer nur deren jeweiligen Positionen – eine Anmerkung, die bei diesem deutlich emotional aufgeladenen Thema, offensichtlich notwendig ist – und tatsächlich dann auch war.

Denn das, was vor allem die weiblichen Personen als Fakten vom Physiker und zweifachen Familienvater geliefert bekamen, gefiel den wenigsten und führte im Nachgang zu vielen Diskussionen in den jeweiligen Schülerklassenchats und Kursen.

Gender-Pay-Gap – eine statistische Irreführung

Zunächst erklärte er den vom Statistischen Bundesamt ausgewiesenen – „statistisch unbereinigten“ – Prozentsatz von 18 Prozent Unterschied in der Bezahlung von Frauen und Männer in dieser generellen Betrachtung als irreführend, da „das Kleingedruckte“ medial unter den Tisch fiele: Einflüsse wie die Tatsachen, dass Frauen häufig Teilzeit arbeiteten und Berufe mit generell geringerem Verdienst wählten, würden prozentual nicht mit eingerechnet und damit das Ergebnis signifikant verfälschen.

Sowieso sei es in Deutschland generell verboten, unterschiedliche Gehälter auf Basis des Geschlechtes zu zahlen, und es gäbe gar nicht so viele Verträge, die unterschiedliche Bezahlungen zuließen – „Beamte und Angestellte schon einmal definitiv nicht“.

Unterschiedliche biologische Dispositionen

Aber warum wählen Frauen finanziell weniger attraktive Berufe und keine, wo sie mehr verdienen könnten?

Der Physiker erklärte, es sei bewiesen, dass schon nur einen Tag alte männliche Babys gegenstandsfokussiert seien, währenddessen weibliche Wesen schon deutlich personenfokussiert agierten. Der Blickkontakt eines weiblichen Neugeborenen sei zweimal länger auf eine Person gerichtet. Der Grund dafür seinahezu reine Biologie, so der Dozent. Die in der Vergangenheit übliche Annahme, dass die Neigung zu Gegenstandsfokus und Personenfokus 20 Prozent biologisch begründet und 80 Prozent durch die Umwelt geprägt sei, hätte sich nach den neuesten Erkenntnissen einmal komplett umgedreht. Der überwiegende Anteil an Interessensbildung und Könnensleistung habe eine biologische Disposition und entsprechend die Prägung durch die Umwelt deutlich weniger Bedeutsamkeit.

Es wäre Fakt, so der Physiker, dass Mädchen und Frauen eher dazu neigen sozial und Jungen und Männer eher dazu neigen technisch orientiert zu sein. Entsprechend seien Frauen statistisch gesehen deutlich besser in Empathie und Organisation, wohingegen Männer statistisch betrachtet beispielsweise in ihrer räumlichen Vorstellungskraft überlegen seien.

Damit ergäbe sich automatisch, dass Frauen, welche ihren Neigungen nachgehen, soziale Berufe wählen, Männer dagegen häufiger im Technikbereich arbeiteten. Und der Letzterer sei nun einmal der Bereich, in dem marktwirtschaftliche Mehrwerte erzielt werden könnten, ganz im Gegensatz zu der sozialen Arbeit, die nicht marktwirtschaftlich gewinnbringend sei, sondern eine gesellschaftliche Notwendigkeit darstelle und von Staates Seite, also von Steuergeldern, bezahlt werden müsse. Schlechte Voraussetzungen für Frauen also, gehaltstechnisch gesehen.

Kinderwunsch statt Karriereleiter

Und warum arbeiten Frauen weniger und gelangen auch nur ganz selten in die Chefetagen großer deutscher Konzerne?

Seine überraschende und zunächst etwas irritierende Antwort: Weil sie so nicht arbeiten wollen.

Frauen wollten statistisch gesehen nämlich gar nicht 60-80h/Woche arbeiten. Das müssten sie aber, wenn sie es an die Spitze von Betrieben und Konzernen schaffen wollten. In einer Meritokratie sei es nun einmal der Fall, dass über Leistung gezahlt würde.

Es gäbe statistisch unter Männern einfach mehr Psychopathen, die hyperfokusiert auf eine Sache sind, die menschliche Seite aber ignorierten. Und etwas psychopathisch müsse man schon sein, um dieses Arbeitspensum mitgehen zu wollen.

Dies sei auch der Grund, dass es auf der Welt fast keine Self-Made-Milliardärin gäbe, also eine Frau, die aus der Tatsache ihres Joberfolgs derart viel Reichtum angehäuft habe. Die allermeisten Milliardärinnen, die es real gäbe, seien nur durch Eheschließung oder Erbfolge dazu geworden.

Frauen wollen in unserer modernen Welt erfolgreich sein, wollen aber nicht jedes Opfer dafür bringen, Beispiel Ärzteschaft: Auch hier würde die Luft für Ärztinnen hoch oben auf der Karriereleiter dünn. Frauen wären noch gut im Rennen, was die Ebene der Fachärzte anginge, in höheren Positionen wie Stations- und Chefärzte wären sie dann aber deutlich unterrepräsentiert.

Ein zweiter Grund für solche Diskrepanzen sei die biologische Uhr der Frau. Anfang/Mitte 30 – also genau in der Zeit, in der sich Karrieren entschieden und man sich entsprechend profilieren müsse, ist oft auch letzte Gelegenheit, noch unerfüllten Kinderwünschen nachzukommen. Wieder am Beispiel der Ärzteschaft bedeutete das sehr häufig das Stoppzeichen auf dem Karriereweg vieler Fachärztinnen. Deutlich würde das auch an dieser Zahl: am Ende habilitierten von den anfänglich zwei Drittel Frauenanteil im Medizinstudium lediglich 20 Prozent.

Auch hier führe, so der Referent, letzten Endes wieder die Biologie statt Vorsatz zu Unterschieden, für die weder Frauen noch Männer verantwortlich seien.

Aber wie und ob unsere Gesellschaft diese auf unser Wirtschaftssystem und Biologie fußende Unterschiede ausgleichen will und kann, sei letztlich die alles entscheidende Frage.

Am Ende der 90 minütigen, furiosen Veranstaltung blieb bedauerlicherweise keine Zeit, um genau auf diese Frage Antworten zu finden.

Alles in allem, wurde den Schülern und Schülerinnen sicher eine weitere Betrachtung der Gleichberechtigungsfrage angeboten. Die zwiespältige Resonanz darauf mit Sicherheit einkalkuliert.

Dem Wunsch und Glauben der Schülerinnen, im Berufsleben ganz groß herauszukommen, sollte dieser Vortrag hoffentlich trotzdem keinen Abbruch tun. Entsprechend auch des Physikers Ratschlag für das Gelingen:

„Mädels, wenn ihr Kohle verdienen wollt, geht in den Stem-Bereich!“.

Text und Bild: Regina Gräser